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Florian Albrecht*: Rezension – Schmidt, Das Verbot von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nach Grundgesetz und Vereinsgesetz nach Fall des Religionsprivilegs, 2012

ZVR-Online Dok. Nr. 62/2012 – online seit 27.11.2012

Schmidt, Rainer
Das Verbot von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nach Grundgesetz und Vereinsgesetz nach Fall des Religionsprivilegs
Verlag Dr. Kovač GmbH
Hamburg, 2012
358 Seiten
96,80 €
ISBN 978-3-8300-64481-7

Der Verfasser beschreibt, dass mit der 2001 erfolgten Streichung des Religionsprivilegs (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 VereinsG a.F.) sowohl eine Grundsatzentscheidung des Verfassungsgesetzgebers als auch ein das VereinsG prägender Grundgedanke aufgegeben wurde. Hierdurch sieht er sich veranlasst, zu prüfen, ob hinsichtlich der erfolgten Änderung des VereinsG verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Einführend stellt Schmidt insoweit fest: „Die religiöse und weltanschauliche Vereinigungsfreiheit wird vom Wortlaut her nicht von Art. 4 I, II GG, sondern von den über Art. 140 GG in das Grundgesetz inkorporierten Art. 137 II, VII WRV gewährleistet. Weder in Art. 4 I, II GG noch in den inkorporierten Art. 136 – 141 WRV findet sich jedenfalls für das Verbot von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften eine ausdrückliche Ermächtigung, weshalb sich die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines solchen als schwierig gestaltet“ (S. 19).Rn. 1
Sodann zeigt er auf, in welcher Weise die religiöse und weltanschauliche Vereinigungsfreiheit im Grundgesetz verankert ist. Die mit unzähligen Fundstellen und Vertiefungshinweisen unterlegten Ausführungen münden in dem Ergebnis, dass Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG, Art. 137 Abs. 2, Abs. 7 WRV insgesamt fünf eigenständige Freiheitsrechte beinhalten: „Beginnend mit der Glaubensfreiheit, fortfahrend mit der Bekenntnisfreiheit, gefolgt von der Ausübungsfreiheit, […] der kollektiven und korporativen Vereinigungsfreiheit“ (S. 139). Die diesbezüglichen Ausführungen sind äußerst präzise. Relevante Streitstände werden ausführlich abgehandelt und einer persönlichen Wertung unterzogen.Rn. 2
Die Darstellung der verfassungsrechtlichen Schranken der religiösen und weltanschaulichen Vereinigungsfreiheit befasst sich zunächst mit dem in Art. 9 Abs. 2 GG festgeschriebenen Schrankenvorbehalt, der die Möglichkeit von Eingriffen in die in Art. 9 Abs. 1 GG niedergelegte allgemeine Vereinigungsfreiheit regelt (S. 160). Schmidt wirft die Frage auf, ob und wie dieser Schrankenvorbehalt auf Sachverhalte mit Bezug zu Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften übertragen werden kann (S. 160). Der Verfasser befasst sich besonders intensiv mit der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, NVwZ 2006, 694) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 – 4 A 06.52), die Art. 9 Abs. 2 GG als selbständigen Verbotstatbestand behandeln und unmittelbar zur Anwendung bringen (S. 163 f.). Dieser Auffassung könne angesichts der im Grundgesetz zum Ausdruck kommenden vorbehaltslos erfolgten Gewährung religiöser und weltanschaulicher Freiheiten sowie des teilweise „unechten“ Spezialitätsverhältnis zwischen Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG, Art. 137 Abs. 2, Abs. 7 WRV und Art. 9 Abs. 1 GG nicht gefolgt werden (S. 164). Zudem könne die Legitimation einer unmittelbaren Anwendung des Art. 9 Abs. 2 GG nicht in dem bloßen Bedürfnis nach einer Einschränkungsmöglichkeit gesucht werden (S. 164 f.). Im Ergebnis müsse auch nach dem Fall des Religionsprivilegs sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 2 auf Religionsgemeinschaften abgelehnt werden (S. 189). Zur Einschränkung der religiösen und weltanschaulichen Freiheiten müsse sich vielmehr auf kollidierende Verfassungsgüter berufen werden (S. 261 f.).Rn. 3
Das Werk schließt mit der Forderung nach einer einfachgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe in die religiöse und weltanschauliche Vereinigungsfreiheit (S. 263 ff.). § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG könne insoweit nicht angeführt werden, weil die Vorschrift allein als Ermächtigungsgrundlage für das Verbot solcher Vereinigungen geschaffen wurde, die von der Schrankenregelung des Art. 9 Abs. 2 GG erfasst seien (S. 282). Als Ermächtigungsgrundlage für das Verbot von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften könne allein auf § 14 Abs. 2 VereinsG zurückgegriffen werden. Die Vorschrift sei einheitlich, teilweise direkt und teilweise analog zur Anwendung zu bringen (S. 289 ff.). „Sowohl bei direkter als auch bei analoger Anwendung von § 14 II VereinsG ist aber stets im Einzelfall zu prüfen, ob das mit der religiösen und weltanschaulichen Vereinigungsfreiheit kollidierende Verfassungsgut auch unter die Verbotstatbestände des § 14 Abs. 2 VereinsG subsumiert werden kann“ (S. 298).Rn. 4
Das Werk schließt mit einem Ausblick (S. 299 bis S. 305) und einer Zusammenfassung der gewonnenen Ergebnisse (S. 307 bis 310). Am Ende findet sich das Literaturverzeichnis.Rn. 5
Die Arbeit lässt keine Frage offen und kann jedem, der sich mit dem Verbot von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften befassen möchte, mit Nachdruck empfohlen werden. Die detaillierten Darstellungen, Verweise und Bewertungen liefern jeder (anwaltlichen oder behördlichen) Perspektive das für die Untermauerung des eigenen Standpunkts erforderliche Argumentationsmaterial. Eine wissenschaftliche Leistung von hoher Aktualität, die sich sehen lassen kann.Rn. 6
Fußnoten

* Florian Albrecht M.A. ist Akademischer Rat a. Z. und Geschäftsführer der Forschungsstelle für IT-Recht und Netzpolitik (For..Net) am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht (Prof. Dr. Dirk Heckmann), Universität Passau.